Ohne Betreuung keine Promotion
Worauf du bei der Auswahl und Kontaktaufnahme mit deinem potenziellen Betreuer oder deiner potenziellen Betreuerin achten solltest.Ein düsteres Bild prägt seit Jahren die akademische Community: junge Forscher*innen in befristeten Arbeitsverhältnissen mit mangelnder wissenschaftlicher, familiärer und finanzieller Planungssicherheit. So ist es kein Wunder, dass eine Meldung aus der Leibniz-Gemeinschaft im Frühjahr 2019 allerorten für – zumindest kurzes –Aufatmen sorgte. Bei einer Befragung gaben immerhin 63 Prozent der mehr als 1.000 Promovierenden der Leibniz-Gemeinschaft an, zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit der Betreuung ihrer Promotionen zu sein. Auch der Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017 veröffentlichte ähnliche Zahlen: Laut Buwin sind 55 bis 65% der Promovierenden (sehr) zufrieden mit Ihrer Betreuung, nur 14 bis 19% sind unzufrieden. Worauf kommt es aber bei einem guten Betreuungsverhältnis an? Auf drei Dinge: fachliche Kompatibilität, eine gut funktionierende zwischenmenschliche Ebene und konkrete Absprachen, wie das Verhältnis von beiden Parteien gestaltet werden kann und soll. Eine gute Betreuung ist also im Optimalfall die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau. Umso mehr lohnt es sich, Zeit und Muße in die Suche nach einer passenden Betreuungsperson zu investieren.
Für deine Promotion benötigst du ein fruchtbares Forschungsumfeld. Wie dieses aussieht, ist individuell verschieden. Es hilft, sich bewusst zu machen, in welchem Rahmen du in der Vergangenheit besonders produktiv wissenschaftlich arbeiten konntest: allein und hoch konzentriert am Schreibtisch oder im fachlichen Austausch mit anderen? Schätzt du die thematische Freiheit und kannst dich gut selbst organisieren und motivieren oder profitierst du eher von einem gemeinsamen Projekt und einem fixen Curriculum?
Wenn du in ein strukturiertes Promotionsprogramm aufgenommen wirst, bekommst du eine Auswahl an Professor*innen in der Regel gleich „mitgeliefert“. Wenn du dich für eine individuelle Promotion entscheidest, musst du dich selbst auf die Suche nach einer potenziellen Betreuung begeben. Bei deiner Suche solltest du dich zunächst vom eigenen Thema leiten lassen, du kannst zum Beispiel nach Forschungsbeiträgen und ihren Verfasser*innen recherchieren, und so Personen identifizieren, die dir und deiner Forschung wichtige Impulse geben können. Im glücklichsten Fall findest du mehrere Personen, auf die das zutrifft und die du – der Reihe nach und niemals parallel, man weiß schließlich nie, worüber sich Kolleg*innen beim Mittagessen oder auf der Konferenz unterhalten – anschreiben kannst.
Im ersten Anschreiben geht es darum, der potenziellen Betreuungsperson das eigene Forschungsprojekt knapp und präzise nahezubringen, dabei ist die Darstellung deiner (Achtung, es wird verkaufspsychologisch!) Unique Selling Proposition genauso wichtig, wie die dezidierte Ansprache der Professorin oder des Professors. Mach deutlich, warum du genau mit ihr/ihm zusammenarbeiten möchtest, zeig dein Interesse an der Person und ihrer Forschung sowie die Verbindung zu deinem eigenen Forschungsprojekt auf. Stelle dabei dein Licht nicht unter den Scheffel (es gehört zu den Aufgaben von Professor*innen, junge Forscher*innen zu betreuen!), bleibe aber höflich und professionell. Dazu gehört schon die korrekte Anrede. Diese liegt – wie man in Stephan Porombkas amüsanter ZEIT-Kolumne nachlesen kann – irgendwo in der goldenen Mitte zwischen „Sehr geehrter Herr Universitätsprofessor Doktor Prof. Dr. X“ und „Hey Mr. Prof.“. Ob du der Person einen kurzen aktuellen CV sendest, bleibt dir überlassen und hängt davon ab, ob und wie gut du sie bereits kennst. Versuche, dich in die Lage der Person zu versetzen, die deine E-Mail liest, dann wird dir schnell klar, welche Art von Anfrage du gern bekommen und beantworten würdest – eine ausufernde E-Mail mit 23 Anhängen ist in diesem Sinne vermutlich wenig zielführend. In jedem Fall solltest du in deiner E-Mail um ein persönliches Gespräch bitten, um Punkt zwei einer guten Promotionsbetreuung zu sichern: das Funktionieren der zwischenmenschlichen Ebene.
Nach dem Absenden der Nachricht heißt es erst einmal warten. Solltest du nach einer Weile nichts von der Person gehört haben, lohnt es sich, noch einmal höflich nachzufragen.Wenn du erneut keine Antwort erhältst, gilt: auch das ist eine Antwort. Starte dann die nächste Anfrage. Und lass den Kopf nicht hängen, wenn es mit der „kalten“ Anfrage nicht gleich klappt. Professor*innen sind vielbeschäftigte Menschen und erhalten zahlreiche Anfragen für die Betreuung von Dissertationen. Es kann deshalb auch ratsam sein, bei einer guten Gelegenheit – etwa dem Besuch einer Fachtagung, an der die Person teilnimmt – direkt ins Gespräch zu kommen. Auch bestehende Kontakte zwischen Hochschullehrenden, mit denen du in deinem Studium bereits zusammengearbeitet hast, und der potenziellen Betreuungsperson, können nützlich sein.
Wenn es zum Treffen mit dem Wunschbetreuer oder der Wunschbetreuerin kommt (Glückwunsch!), mach dir im Vorhinein noch einmal klar, welche Art von Betreuung du dir für die nächsten Jahre wünschst. Wie viel persönlichen Austausch, wie viel fachliches Feedback benötigst du beispielsweise, um gut arbeiten zu können? Gehört dazu vielleicht auch das Einreichen und Diskutieren von Kapitelentwürfen? Wie eng- oder weitmaschig wollt ihr euch gemeinsame Deadlines setzen? Auch die Finanzierung und Karriereplanung kannst und solltest du mit deiner Betreuerin oder deinem Betreuer besprechen, nicht zuletzt, weil du für das Einwerben eines Stipendiums auf Unterstützung in Form von Gutachten angewiesen bist.
Die gewichtige Entscheidung, ob eine Zusammenarbeit mit der Person dir fruchtbar erscheint, musst du nicht gleich und keinesfalls am Ende des ersten Gesprächs treffen. Im Gegenteil: Es wirkt bedacht und souverän, wenn du dir etwas Bedenkzeit einräumst. Bei der Entscheidung können auch Gespräche mit Personen hilfreich sein, die bereits bei dem/der Professor*in promovieren oder – vielleicht noch aufschlussreicher – ihre Dissertation abgebrochen haben. Solche Insiderinformationen bieten – gewendet auf die eigenen Bedürfnisse – eine wertvolle Orientierungshilfe.
Wenn sich beide Parteien für eine Zusammenarbeit entscheiden, steht das Finetuning dieser Zusammenarbeit an. Ihr solltet das Betreuungsverhältnis gemeinsam und aktiv gestalten, eine Betreuungsvereinbarung kann dabei ein hilfreiches Tool sein, auch wenn sie dir oder der betreuenden Person als lästige Zusatzformalität erscheinen mag. Eine solche dient tatsächlich weniger der rechtlichen Absicherung als einer gemeinsamen Verständigung über die Rahmenbedingungen eures Arbeitsverhältnisses.
Vielen Promotionsinteressierten erscheint das Finden einer Betreuungsperson als unerklimmbare Hürde, gerade bei einem Hochschulwechsel oder wenn der letzte Abschluss kein inländischer ist. Bei guter Vorbereitung und mit der geeigneten Form der Kontaktaufnahme stehen die Chancen jedoch gut, fündig zu werden. Und auch wenn sich das Arbeitsverhältnis im Laufe der Promotion als unproduktiv abzeichnet, ist das kein Weltuntergang. Auch wenn der schlimmste Fall eintritt, ein Betreuungswechsel ist immer möglich, viele Hochschulen bieten aber auch spezielle Konfliktsprechstunden an, die dich bei der Lösung auftretender Probleme unterstützen können.