Nur manchmal ein Vorteil

Bringt eine Promotion bei der Stellensuche wirklich mehr als ein Master? Wir haben Unternehmensvertreter gefragt.
Reinhart Julian/Unsplash

„Kein Karriere-Booster“

„Wir erfassen nicht, wie viele der 63.000 Mitarbeiter von Thyssenkrupp in Deutschland einen Doktortitel haben. Das ist schon ein Hinweis darauf, welche Rolle das bei uns spielt: keine große. Das fachliche oder methodische Wissen, das jemand im Rahmen einer Promotion erworben hat, kann im Einzelfall zwar von Vorteil sein, aber grundsätzlich können wir nicht sagen, dass eine Promotion bei uns im Unternehmen ein Karriere-Booster wäre. Dementsprechend hängt auch das Gehalt vom Stellenprofil ab und nicht davon, ob der oder die Gesuchte eine Promotion mitbringt oder nicht. Mögliche Gehaltsunterschiede – die es durchaus geben mag – entstehen also nicht in erster Linie wegen des Doktortitels. Nur bei unserem Trainee-Programm werden Promovierte mit einem geringfügig höheren Einstiegsgehalt vergütet. Wir sprechen aber nur von 200 Euro brutto.

Die meisten unserer Doktoranden kommen von der Universität Duisburg-Essen, der Ruhr-Universität Bochum und der TU Dortmund. Durch unser PhD-Begleitprogramm fördern wir damit in Städten, in denen Thyssenkrupp große Standorte hat, einen engen Austausch zwischen den Hochschulen und unserem Unternehmen sowie zwischen den Promovierenden und Thyssenkrupp. Die Doktoranden sind also bei uns angestellt und haben so die Möglichkeit, neben ihrer Forschung schon das Unternehmen kennenzulernen. Die Bindung, die so zwischen Thyssenkrupp und den einzelnen Menschen entsteht, ist sehr eng. Zusätzlich fragen unsere Betreuer vor dem Start einer neuen ‚Klasse‘ unsere Geschäftsbereiche und Fachabteilungen, darunter die Personalabteilung oder Forschung und Entwicklung, ob weitere Mitarbeiter eine nebenberufliche Promotion planen. Alle zwei Jahre kommt so eine Gruppe von zehn bis vierzehn Doktoranden für das Programm zusammen.

Wir fördern auch gelegentlich in anderen Universitäten Promovierende, wenn ihr Thema interessant ist. Das hat es in den letzten Jahren mit der RWTH Aachen, mit der Universität in St. Gallen und der University of Cambridge gegeben. Das sind aber Einzelfälle. Generell finanzieren wir aber keine Doktoranden an Universitäten, die ad hoc auf uns zukommen.“

Thyssenkrupp

Thomas Reinhold ist Pressesprecher Personal beim Industriekonzern Thyssenkrupp.

„Eine Promotion ist quasi ein Muss“

„Sanofi in Deutschland besetzt als forschendes Gesundheitsunternehmen immer wieder offene Positionen mit promovierten Naturwissenschaftlern wie Biochemikern, Pharmazeuten und Medizinern. Wir wissen sie nicht nur in der Forschung und in der Entwicklung zu schätzen, sondern auch in der Produktion und Fertigung, der Qualitätskontrolle sowie in der medizinischen Abteilung und der Arzneimittelzulassung. In unserem Unternehmen arbeiten allein in Deutschland etwa 1500 Naturwissenschaftler. Davon haben circa zwei Drittel eine Promotion. Im Bereich der Forschung und Entwicklung liegt der Anteil der promovierten Akademiker sogar noch höher, nämlich bei etwa 75 Prozent. Hier ist eine Promotion quasi ein Muss und die Bewerber beweisen damit, dass sie wissenschaftlich arbeiten können. In produktionsnahen Bereichen, wie beispielsweise der Qualitätskontrolle, ist je nach Stellenbeschreibung auch ein Masterabschluss ausreichend. 

Der Doktortitel selbst ist für uns jedoch noch kein alleiniges Auswahlargument. Auch dem Inhalt der Forschungsarbeit widmen wir uns. Dabei prüfen wir, ob die Arbeit des Bewerbers ins Spektrum des Unternehmens passt. Deshalb bitten wir häufig Naturwissenschaftler schon im Rahmen des Bewerbungsverfahrens, ihre Doktorarbeit zu präsentieren. Bei Medizinern ist es hingegen anders. Mediziner, die sich gegen eine Karriere in Klinik oder Praxis entscheiden, sind ein rares Gut. Da rückt der Inhalt der Promotion teils in den Hintergrund. 

Bei Ingenieuren, Wirtschaftswissenschaftlern oder Juristen ist für uns eine Promotion nicht zwingend. Er kann im Auswahlverfahren aber ein zusätzlicher Pluspunkt sein. Sie wird dann wie eine mehrjährige Berufserfahrung bewertet. Dementsprechend kann sie auch beim Einstiegsgehalt einen Unterschied bringen. Generell lässt sich aber sagen, dass wir Absolventen der Geistes- oder Wirtschaftswissenschaften mit mehrjähriger Praxiserfahrung, die sie in anderen Unternehmen gesammelt haben, gegenüber Promovierten, die ausschließlich im universitären Umfeld gearbeitet haben, bevorzugen.“

Sanofi

Birgit Huber leitet die Talent-Akquise beim Gesundheits- und Pharmakonzern Sanofi.

„Kein Titel für die Visitenkarte“

„Unternehmen stellen gerne Leute ein, die vertieft und analytisch arbeiten und sich hinter ein Thema klemmen können. Und genau diesen Qualitätsnachweis erbringt eine Promotion. In manchen Feldern wie im Chemie- oder Pharmabereich ist ein Doktortitel immer noch unabdingbar. Und auch in anderen Fächern ist er häufig immer noch gerne gesehen und wird bei der Einstellung auch mit einem kleinen Gehaltsaufschlag versehen. Im Laufe der Karriere gleicht sich das aber oft aus, dann wird nach Leistung im Beruf gezahlt. Da muss nicht unbedingt der- oder diejenige mit der Promotion auch jene/r sein, die im Unternehmen den besseren Werdegang hinlegt und Führungsaufgaben übernimmt. Eine nicht der Praxis entsprechende Auffassung, die als Falschmeldung leider immer noch verbreitet ist.

Früher gab es auch mehr Promovierte aus Bereichen wie Jura oder Wirtschaftswissenschaften, die ihre Doktorarbeit nur für den Titel absolvierten. Das ist seltener geworden. Wer sich heute an so eine Arbeit setzt, hat meist ein Thema, das ihn interessiert und wird aus Überzeugung aktiv. Und das ist richtig so. Studierende sollten den Titel nicht für die Visitenkarte anstreben. Außerdem können wir derzeit eine Ausnahmesituation beobachten: Wir haben gerade einen Bewerber- und keinen Unternehmensmarkt. In vielen Bereichen herrscht eine deutliche Knappheit an guten Kandidaten. Bei der Einstellungsentscheidung fällt die Promotion deshalb nicht mehr so sehr ins Gewicht. Da werden Bewerber schon mit einem Master gerne genommen.

Wird eine Doktorarbeit geplant, sind Themen von Vorteil, die nahe an der Unternehmenspraxis sind. Es ist auch hilfreich, sich Lehrstühle rauszugucken, die enge Verbindungen zu Unternehmen pflegen und praxisnahe Themen bearbeiten. Wer will schon für die Schublade arbeiten? Solche Themen bieten zudem auch gleich einen Anlaufpunkt, wenn die Dissertation fertig ist.“

HKP Group

Joachim Kayser ist Senior Partner bei der Unternehmensberatungsgesellschaft HKP Group.

„Wir suchen praktisch verwertbare Erkenntnisse“

„Eine Promotion ist kein Instrument, um die Berufsaussichten bei uns im Verlag wirklich zu erhöhen. Sie bringt keine Vorteile beim Einstiegsgehalt. Nur in den seltensten Fällen kann sie vielleicht ein Auswahlkriterium bei der Jobvergabe sein. Uns kommt es vielmehr auf überfachliche Qualifikationen an. Das heißt, dass wir im Bereich der Lebensmittelzeitschriften natürlich gerne auch einen promovierten Lebensmittelwissenschaftler einstellen – ausschlaggebend ist letztlich aber, ob dieser ein guter Journalist ist. Und das belegt man nicht mit einer Promotion, da erwarten wir eher Praxiserfahrung und andere Fähigkeiten. 

Wenn man sich im Rahmen der Promotion Fachkenntnisse angeeignet hat, die für uns als Verlag verwertbar sind, ist die Sache ein bisschen anders zu bewerten. Wenn wir beispielsweise jemanden suchen, der agiles Projektmanagement bei uns im Haus voranbringt und sich jemand vorstellt, der im Rahmen seiner Promotion zu Methoden des modernen Projektmanagements geforscht, gearbeitet und vielleicht auch ein Praxismodell dazu entwickelt und implementiert hat, dann bringt dieser Bewerber eine Fachexpertise mit, die uns wirklich interessiert. Da steigert die Promotion aus unserer Sicht natürlich die Attraktivität des Bewerbers. Sonst fallen mir in den Funktionen, in denen es um Business, um Menschen, um Verkauf und ums Texteschreiben geht, kaum Möglichkeiten ein, wo eine Promotion für uns einen Mehrwert hat.“

dfv Mediengruppe

Holger Wisch ist Bereichsleiter Personal und Verwaltung bei der dfv Mediengruppe, die mehr als 100 Fachzeitschriften herausgibt.