Mit kühlem Kopf durch die Feuertaufe

Disputation, Rigorosum, Verteidigung: Was nach großem Showdown klingt, ist eigentlich ziemlich unspektakulär. Man muss nur gut vorbereitet sein.
Elliot Sloman/Unsplash

Die mündliche Prüfung ist einer der letzten Schritte auf dem Weg zu Doktortitel. Und sie ist bei vielen Promovierenden mit Ängsten verbunden. Immerhin ranken sich um kaum ein anderes akademisches Ritual so viele Legenden. Auf Unifluren erzählt man sich üble Geschichten: von Doktoranden, die von der Prüfungskommission mit unbeantwortbaren Fragen gegrillt wurden; von Blackouts mitten im Vortrag; ja, sogar von Prüflingen, die trotz formidabler schriftlicher Note am Schluss noch durchgefallen sind, weil sie im Mündlichen versagten.

Fakt ist: Die Disputation soll die wissenschaftliche Befähigung auf die Probe stellen. Fakt ist aber auch: Wer sich darauf gefasst macht, die eine oder andere kritische Frage zu parieren, kommt meistens ohne Probleme durch. Und nicht selten ist alles am Ende ohnehin viel harmloser als gedacht: ein lockeres Fachgespräch unter Kolleginnen.

Gut vorbereitet sollte man trotzdem sein. Es gilt, sich noch einmal mit der eigenen Dissertation und seinem Fach zu beschäftigen. Und sich darüber Gedanken zu machen, wie sich die vielen Kenntnisse, die man in den letzten Jahren erworben hat, vor einem akademischen Publikum überzeugend darstellen lassen. Damit das gelingt, haben wir drei Expertinnen nach ihren besten Ratschlägen gefragt:

  • Laura König hat ihre Dissertation zum Thema „Healthy Pleasures: Integrating Food Well-Being and Simple Eating Behaviour Interventions“ Anfang 2018 mit Erfolg verteidigt und arbeitet heute als Postdoc an der Universität Konstanz.

  • Sylvia Löhken ist Expertin für persönlichkeitsbasierte Kommunikation. Sie ist Buchautorin und arbeitet als Coach in den Bereichen Wissenschaft und Wissenschaftsadministration.

  • Angela Ittel ist Vizepräsidentin der Technischen Universität Berlin und hat als Fachgebietsleiterin für Pädagogische Psychologie viele Dissertations-Präsentationen begleitet.

Sollte ich meinen Forschungsstand bereits vor der mündlichen Prüfung auf Tagungen präsentieren?

Laura König:

„Vorträge sind eine tolle Möglichkeit, den eigenen Präsentationsstil zu üben. Ich habe auf drei oder vier Kongressen aus dem Bereich Gesundheitspsychologie Zwischenergebnisse meiner Dissertation vorgestellt. Anschließend bekam ich wissenschaftliches Feedback, aber auch wertvolle Hinweise zur Art der Präsentation. Wenn man sich von Anfang an Mühe gibt, seine Ergebnisse anschaulich darzustellen, spart man am Ende Zeit und kann auf einen guten Grundstock an Grafiken und Präsentationsfolien zurückgreifen.“

Sylvia Löhken:

„Promovierende können Fachtagungen dazu nutzen, die (ungeschriebenen) Regeln ihrer Scientific Community kennenzulernen. Wann und wie ich meinen Forschungsstand erfolgreich präsentiere, hängt stark von der Forschungstradition ab. In der Medizin oder in der Rechtswissenschaft beginnt die fachliche Sichtbarkeit jenseits der Hochschule zum Beispiel erst spät. In einem Fach wie Biologie ist es dagegen durchaus möglich, schon während der Promotionsphase auf bestimmten Fachkonferenzen eine Session zu leiten. Das wiederum verschafft neue Kontakte. Die Netzwerke, die so entstehen, können karriereentscheidend sein.“

Angela Ittel:

„Doktorandinnen und Doktoranden sollten jede Gelegenheit nutzen, ihre Ergebnisse zu präsentieren – auch wenn Ergebnisse noch nicht vollständig vorliegen. Wenn sie noch ganz am Anfang stehen, empfehle ich kleine Doktorandenkolloquien, die der Vorbereitung eines Beitrags auf einer großen Konferenz dienen. Ein solcher intimer Rahmen eignet sich hervorragend, um eine klare Strukturierung der Ergebnisse einzuüben.“

Wie bereite ich meine mündliche Prüfung vor?

Laura König:

„Die beste Vorbereitung sind Probevorträge vor Personen, die selbst schon eine Verteidigung hinter sich haben. Sie können Tipps geben: Habe ich den richtigen Ton getroffen? Bleibe ich in der Zeit? Habe ich ausreichend Fachwörter verwendet? Auf diese Weise habe ich meinen Vortragsstil noch einmal angepasst, mehr Wissen vorausgesetzt und weniger Zeit auf Definitionen und Beispiele verwendet. Ein weiterer Tipp: an universitätsöffentlichen Disputationen als Gast teilnehmen. So erfährt man zum Beispiel, welche Prüfende welchen Fragestil haben.“

Sylvia Löhken:

„Viele Promovierende fühlen sich noch wie in der Masterabschlussprüfung: ‚Immer wenn ein Rudel Profs vor mir sitzt, wird etwas abgeprüft.‘ Aber eine Disputation ist etwas völlig anderes. Sie ist die Nahtstelle, wo sich eine Wissenschaftlerin das erste Mal als Fachkollegin mit eigenen Ergebnissen präsentiert. Deshalb empfehle ich als Vorbereitung genau diese Mindset-Arbeit! Wenn ich das geübt habe, fällt es mir auch während der Disputation leichter, eine entsprechende Haltung einzunehmen. Das Fachliche ist nach all den Jahren intensiver Auseinandersetzung dagegen nicht das Problem.“

Angela Ittel:

„Bereiten Sie Ihren Vortrag so vor, dass deutlich wird, was Ihre Forschung leistet. Idealerweise geben Sie auch einen Ausblick auf neue Trends oder sich anschließende Forschungsfragen. Denn über die Grenzen der eigenen Arbeit hinauszuschauen ist eine wichtige Fähigkeit, die man kommunizieren sollte. Für einen souveränen Auftritt empfehle ich, die Präsentation im Stehen zu üben und den Blick ins Publikum bewusst zu trainieren. Außerdem freue ich mich in der Disputation immer über ein einseitiges Handout, das die wichtigsten Thesen zusammenfasst.“

Wie gehe ich mit kritischen Anmerkungen während meiner Präsentation um?

Laura König:

„Böse Kommentare auf Konferenzen sind selten. Falls doch Kritik geäußert wird, hilft es mir, mich zu fragen: ‚Worauf bezieht sich der Kommentar?‘ Man darf eine fachliche Kritik nie als persönlichen Angriff werten. Eine gute Vorbereitung ist viel wert. Der Frage, warum man zum Beispiel genau diese eine Methode gewählt hat, kann man sachlich begegnen. Manchmal muss man sich auch darauf einigen, dass man sich nicht einigen und die Frage nur mit weiterer Forschung geklärt werden kann.“

Sylvia Löhken:

„Kritische Nachfragen gehören zum Wesen der Wissenschaft. Die Menschen, die mir zuhören, wollen und sollen herausfinden, ob ein Beitrag wissenschaftlich wertvoll oder nur ein netter Versuch ist. Diese Perspektive entspannt ungemein. Wenn wirklich jemand sagt: ‚Das haben wir vor Jahren schon probiert, das funktioniert sowieso nicht‘, sollte ich meine innere Haltung überprüfen. Der andere ist nur Angreifer, wenn ich ihm diese Rolle gebe. Vielleicht hat er seinen Einwand einfach nicht gut formuliert. Es gibt keinen Grund, sich kleinklopfen zu lassen oder selbst aggressiv zu werden. Ich empfehle in dieser Situation zum Beispiel den Brückensatz: ‚Ja, ich war am Anfang auch skeptisch, und dann haben wir Folgendes gemacht …‘ Damit signalisiere ich Verständnis und stelle mich gedanklich neben die Person. So schauen wir in eine gemeinsame Richtung, statt uns in einer Konfrontation wiederzufinden.“

Angela Ittel:

„Normalerweise liegt keiner Prüferin und keinem Prüfer daran, Präsentationen von Promovierenden zu zerreißen. Mit kritischen Nachfragen sollte man als Vortragende daher souverän umgehen. Eine konstruktive Einschätzung von eventuellen Schwächen mit dem Satz ‚Da habe ich vielleicht nicht die beste Zielgruppe erreicht ...‘ oder ‚Das nächste Mal würde ich damit so umgehen ...‘ zeugt von Reflexionsfähigkeit und kann nur positiv bewertet werden.“